Langzeitstudie
Seit nunmehr über 40 Jahren beobachtet, kartiert, zählt und dok- umentiert Prof. Martin Kraft im Marburger Lahntal zwischen Marburg und Gießen Brut-, Zug- und Rastvögel nebst Nahrungs- und Winter-gästen. Hierbei unterstützen ihn zahlreiche Vogelenthusiasten aus der Region, wobei deren Erstsichtungen stets durch Zweitsichtungen bzw. anhand von Stimm- und Photobelegen bestätigt werden. Die Konstanz der Erfassung ist sowohl hinsichtlich Methode als auch der Regelmäßigkeit . Beobachtungsorte und –tageszeiten sind aus dieser langjährigen Erfahrung heraus so optimiert, dass stets angepasst an Wind- Wetter- und Lichtbedingungen ein Maxi- mum gerade seltener, bedrohter und Indikator- Vogelarten registriert werden können. Solcherart Langzeitstudien kann man weltweit wohl an einigen Händen abzählen. Auf diese Weise ist ein kostbarer Daten-fundus zusammengekommen, welcher den einen oder anderen Rückschluss auf langjährige Veränderungen und Periodizitäten zulässt. Tagesaktuelle Beobachtungen aus dem Lahntal werden hier stets unter der Rubrik „Aktuelles“ veröffentlicht.
Historie VSG
Die Ausweisung des EU-Vogelschutzgebietes 5218-401 „Lahntal zwi- schen Marburg und Giessen“ (Erstanmeldung bei der EU-Kommis- sion 06/2004) geht auf Anregung und Beobachtungsdaten von Prof. Martin Kraft zurück. Die Grunddatenerhebung aus dem Jahre 2008 stammt aus seiner Feder. Ursprünglich wurde eine deutlich größere Fläche vorgeschlagen. Gerade die Wiesen und Feldhecken zwischen Wenkbach und Argenstein beherbergen die höchste Dichte an Braun-kehlchen im Gebiet, wurden aber vorerst ausgespart. Wesentliche Impulse zur Entwicklung des VSG kamen vom Kiesabbau seit 1969 und den Ausgleichsmaßnahmen zum Lückenschluss der autobahn-artigen Bundesstraße 3 (Verkehrsfreigabe am 10.05.2011). Erst durch die Kiesabbaggerungen entstanden und entstehen Wasserflächen, Schlickflächen, sandige Steilhänge und frische Brachflächen.
Kernbiotope / Habitatkomplexe
Als Ausgleichsmaßnahme für die B3a am Ostrand des VSG wurde ein über 4 km langer Seitenarm der Lahn geschaffen, mit Anstau-, Schlick- und Verlandungszonen (Erstflutung im Juli 2011). Da er einer Verlegung der Allamündung nach Süden gleichkommt, wurde er ParAllna genannt. Die Matinsweiher Niederwalgern, bestehend aus 3 Teichen gehen auf Probeauskiesungen von 1989 bis August 1992 zurück und sind nach Martin Kraft benannt, an welchen sie seitdem zwecks Ausgleichsmaßnahmen für die Auskiesung verpachtet sind. So erstrecken sich heute drei wichtige Habitatkomplexe des VSG um die Martinsweiher Niederwalgern, Baggerteiche und Grubengelände Niederweimar und ParAlla. Demgegenüber erscheinen Flusskörper und Uferzonen der Lahn derzeit als Lebensraum für Vögel und insbe-sondere Limikolen nicht ganz so attraktiv, da zu wenig Inseln und Schlickflächen vorhanden sind und die Verbuschung am unmittel- baren Uferrand überhand nimmt. Erst die wiederkehrende Verjün- gung bzw. Prägung der Natur durch Beweidung, Mähen, Umgraben,
Auslichtung, gelegentliche Überflutung etc. schafft die Lebensräume für die besonders gefährdete Pionier-Tier- und Pflanzengesell- schaften. Weitere bedeutsame Habitatkomplexe sind der Bereich „Alte Lache“ nördlich Roth, Rieselfeld und Kläranlage Roth und die Ackerfächen nördlich Fronhausen mit dem „Schenkenwäldchen“.
Entwicklungskonzept zum VSG von MIO e.V.
MIO e.V. setzt sich nachdrücklich für die inhaltliche und flächige Ausweitung des VSG ein. Dazu gehören 1) die Aufnahme weiterer Arten in die Liste der erhaltungszielbestimmenden maßgeblichen Vogelarten, 2) die Umsetzung auf nationaler Ebene nicht nur wie aktuell durch eine Landschaftsschutzgebietsverordnung (vom 28.06.2006, welche eine vergleichsweise niedrige Schutzstufe ver- mittelt), sondern durch die Ausweisung großer Teile als Naturschutz-gebiet – derzeit sind in Gestalt des NSG und FFH- Lahntalarm bei Bellnhausen nur 2,2% der 742,78 ha Fläche des VSG als NSG ausge-wiesen, 3) die Formulierung und Durchführung weiterer Schutzziele und Schutzmaßnahmen, auch im Rahmen von FFH-Gebeitsauswei-sungen bzw. –erweiterungen 4) die Erweiterung um Flächen des Auenlebensraums, wie auch von Randflächen als Trittsteine zu Nach- barlebensräumen. Im Einzelnen kommen etwa Saatgans, Schnatter-, Löffel-, Kolben- und Tafelente, Rebhuhn, Weißstorch, Wespenbus- sard, Fischadler, Rot- und Schwarzmilan, Baum- und Wanderfalke, Großer Brachvogel, Uferschnepfe, Alpenstrandläufer, Turteltaube, Kuckuck, Mauersegler, Bienenfresser, Pirol, Raubwürger, Feldschwirl, Trauerschnäpper, Baumpieper, Bergpieper, Bluthänfling in erhebli- chem Umfang ortsansässig oder als Gäste vor, finden im VSG geeig- nete Habitattypen, sind derzeit auch noch regional unzureichend mit Schutzgebieten bedacht und sollten daher in den Schutzzweck des VSG-Lahntal aufgenommen werden. Zumindest die genannten Wasserflächen und ihre Randbereiche nebst einigen Wiesen und Feldgehölzbereichen sollten vollwertig als NSG ausgewiesen werden. Wesentliche angrenzende Bereiche für Gebietserweiterungen sind 1) der Raum zwischen Wenkbach und Niederwalgern einschließlich Talzone westlich der Main-Weserbahn und Nikolausberg als Trittstein zum NSG Kehnaer Trift u.a. für die Arten der Feldflur 2) die saisonal überflutete Fläche und angrenzende Feldheckenbereiche südlich Wolfshausen und westlich der B3a 3) der Bereich der Wolfshäuser Steinbrüche bzw. Westflanke des Rothlauf als Lebensraum einiger Nahrungsgäste des Lahntals wie Rotmilan, Uhu, Waldohreule 4) der sich nördlich anschließende Abschnitt der Lahn ab Nehmühle bis Steinmühle. Der Teilbereich „Unter Wolfsberg“ ist bereits NSG.