Monitoring des VSG "Lahntal zwischen Marburg und Gießen"

Monitoring des Vogelschutzgebietes "Lahntal zwischen Marburg und Gießen"
Am 23.05.2020 zeigten sich 3 Jungstörche im Nest an den Martinsweihern. Wenige Tage zuvor waren es noch 4. Photos © A. Matusch
Langzeitstudie
Seit nunmehr über 40 Jahren beobachtet, kartiert, zählt und dok- umentiert Prof. Martin Kraft im Marburger Lahntal zwischen Marburg und Gießen Brut-, Zug- und Rastvögel nebst Nahrungs- und Winter-gästen. Hierbei unterstützen ihn zahlreiche Vogelenthusiasten aus der Region, wobei deren Erstsichtungen stets durch Zweitsichtungen bzw. anhand von Stimm- und Photobelegen bestätigt werden. Die Konstanz der Erfassung ist sowohl hinsichtlich Methode als auch der Regelmäßigkeit . Beobachtungsorte und –tageszeiten sind aus dieser langjährigen Erfahrung heraus so optimiert, dass stets angepasst an Wind- Wetter- und Lichtbedingungen ein Maxi- mum gerade seltener, bedrohter und Indikator- Vogelarten registriert werden können. Solcherart Langzeitstudien kann man weltweit wohl an einigen Händen abzählen. Auf diese Weise ist ein kostbarer Daten-fundus zusammengekommen, welcher den einen oder anderen Rückschluss auf langjährige Veränderungen und Periodizitäten zulässt. Tagesaktuelle Beobachtungen aus dem Lahntal werden hier stets unter der Rubrik „Aktuelles“ veröffentlicht.

Historie VSG
Die Ausweisung des EU-Vogelschutzgebietes 5218-401 „Lahntal zwi- schen Marburg und Giessen“ (Erstanmeldung bei der EU-Kommis- sion 06/2004) geht auf Anregung und Beobachtungsdaten von Prof. Martin Kraft zurück. Die Grunddatenerhebung aus dem Jahre 2008 stammt aus seiner Feder. Ursprünglich wurde eine deutlich größere Fläche vorgeschlagen. Gerade die Wiesen und Feldhecken zwischen Wenkbach und Argenstein beherbergen die höchste Dichte an Braun-kehlchen im Gebiet, wurden aber vorerst ausgespart. Wesentliche Impulse zur Entwicklung des VSG kamen vom Kiesabbau seit 1969 und den Ausgleichsmaßnahmen zum Lückenschluss der autobahn-artigen Bundesstraße 3 (Verkehrsfreigabe am 10.05.2011). Erst durch die Kiesabbaggerungen entstanden und entstehen Wasserflächen, Schlickflächen, sandige Steilhänge und frische Brachflächen.

Kernbiotope / Habitatkomplexe

Als Ausgleichsmaßnahme für die B3a am Ostrand des VSG wurde ein über 4 km langer Seitenarm der Lahn geschaffen, mit Anstau-, Schlick- und Verlandungszonen (Erstflutung im Juli 2011). Da er einer Verlegung der Allamündung nach Süden gleichkommt, wurde er ParAllna genannt. Die Matinsweiher Niederwalgern, bestehend aus 3 Teichen gehen auf Probeauskiesungen von 1989 bis August 1992 zurück und sind nach Martin Kraft benannt, an welchen sie seitdem zwecks Ausgleichsmaßnahmen für die Auskiesung verpachtet sind. So erstrecken sich heute drei wichtige Habitatkomplexe des VSG um die Martinsweiher Niederwalgern, Baggerteiche und Grubengelände Niederweimar und ParAlla. Demgegenüber erscheinen Flusskörper und Uferzonen der Lahn derzeit als Lebensraum für Vögel und insbe-sondere Limikolen nicht ganz so attraktiv, da zu wenig Inseln und Schlickflächen vorhanden sind und die Verbuschung am unmittel- baren Uferrand überhand nimmt. Erst die wiederkehrende Verjün- gung bzw. Prägung der Natur durch Beweidung, Mähen, Umgraben,
Auslichtung, gelegentliche Überflutung etc. schafft die Lebensräume für die besonders gefährdete Pionier-Tier- und Pflanzengesell- schaften. Weitere bedeutsame Habitatkomplexe sind der Bereich „Alte Lache“ nördlich Roth, Rieselfeld und Kläranlage Roth und die Ackerfächen nördlich Fronhausen mit dem „Schenkenwäldchen“.

Entwicklungskonzept zum VSG von MIO e.V.
MIO e.V. setzt sich nachdrücklich für die inhaltliche und flächige Ausweitung des VSG ein. Dazu gehören 1) die Aufnahme weiterer Arten in die Liste der erhaltungszielbestimmenden maßgeblichen Vogelarten, 2) die Umsetzung auf nationaler Ebene nicht nur wie aktuell durch eine Landschaftsschutzgebietsverordnung (vom 28.06.2006, welche eine vergleichsweise niedrige Schutzstufe ver- mittelt), sondern durch die Ausweisung großer Teile als Naturschutz-gebiet – derzeit sind in Gestalt des NSG und FFH- Lahntalarm bei Bellnhausen nur 2,2% der 742,78 ha Fläche des VSG als NSG ausge-wiesen, 3) die Formulierung und Durchführung weiterer Schutzziele und Schutzmaßnahmen, auch im Rahmen von FFH-Gebeitsauswei-sungen bzw. –erweiterungen 4) die Erweiterung um Flächen des Auenlebensraums, wie auch von Randflächen als Trittsteine zu Nach- barlebensräumen. Im Einzelnen kommen etwa Saatgans, Schnatter-, Löffel-, Kolben- und Tafelente, Rebhuhn, Weißstorch, Wespenbus- sard, Fischadler, Rot- und Schwarzmilan, Baum- und Wanderfalke, Großer Brachvogel, Uferschnepfe, Alpenstrandläufer, Turteltaube, Kuckuck, Mauersegler, Bienenfresser, Pirol, Raubwürger, Feldschwirl, Trauerschnäpper, Baumpieper, Bergpieper, Bluthänfling in erhebli- chem Umfang ortsansässig oder als Gäste vor, finden im VSG geeig- nete Habitattypen, sind derzeit auch noch regional unzureichend mit Schutzgebieten bedacht und sollten daher in den Schutzzweck des VSG-Lahntal aufgenommen werden. Zumindest die genannten Wasserflächen und ihre Randbereiche nebst einigen Wiesen und Feldgehölzbereichen sollten vollwertig als NSG ausgewiesen werden. Wesentliche angrenzende Bereiche für Gebietserweiterungen sind 1) der Raum zwischen Wenkbach und Niederwalgern einschließlich Talzone westlich der Main-Weserbahn und Nikolausberg als Trittstein zum NSG Kehnaer Trift u.a. für die Arten der Feldflur 2) die saisonal überflutete Fläche und angrenzende Feldheckenbereiche südlich Wolfshausen und westlich der B3a 3) der Bereich der Wolfshäuser Steinbrüche bzw. Westflanke des Rothlauf als Lebensraum einiger Nahrungsgäste des Lahntals wie Rotmilan, Uhu, Waldohreule 4) der sich nördlich anschließende Abschnitt der Lahn ab Nehmühle bis Steinmühle. Der Teilbereich „Unter Wolfsberg“ ist bereits NSG.


Verlauf der Lahn im VSG
Der ca. 10 km Abschnitt der Lahn im VSG hat bei weitem nicht den Reichtum an Limikolen und selteneren Enten wie die Baggerteiche, ParAllna und benachbarte Schlickflächen. Die Uferbereiche sind zu stark zugewachsen und wurden zu wenig durchwühlt - etwa durch Hochwasser oder Wasserbüffel. Neben Wasser- und Watvögeln leben hier eine Vielzahl von wasseraffinen Singvögeln wie Eisvogel, Teich-, Schilf-, Drossel- und Sumpfrohrsänger nebst Kuckuck. MIO-Mitglied Heike G. dokumentierte am 04.06.2020 vom Kanu aus aus sonst unzugängliche Stellen.
Obere Reihe: a) Stockentenweibchen mit 6 Pulli. Die Schnabelfarbe kann von geblich über orange, olivgrünlich bräunlich bis wie hier grau variieren.
b) kein Vogel c) Nilgänse
mittlere Reihe: a) Graureiher, b) Kanadagans, c)Höckerschwäne. Unten links: Eisvogel. Mitte: Vorjähriger männlicher Turmfalke mit Feldmaus 01.05.2019 © M. Kraft
Presseabdeckung zu Entdeckungen und Beobachtungen von MIO e. V. im VSG "Lahntal zwischen Marburg und Gießen"
Weinhähnchen 2019 und 2018 OberhessPr-MR 01.10.2019
Rast- und Nahrungshabitat für Fischadler
Es ist immer wieder zu beobachten, dass durchziehende Fischadler an den Martinsweihern oder den Niederweimarer Baggerseen fischen, mit der Beute in den Klauen auf den Rothlauf fliegen und sich zum Verzehr auf einem überragenden Baum ("Überhälter") niederlassen. Daher bilden für viele Arten das Marburger Lahntal als reichhaltiger Nahrungsgrund und die Höhenzüge im Westen und im Osten als Aufenthalts- Wohn- Schlaf- bzw. Brutplätze ornithologisch eine funktionelle Einheit. Dieser Zusammenhang darf weder durch Windräder noch durch Logistikzentren zerstört werden.
Am 16.06.2019 waren unten gezeigte Vögel auf einer Wiese bei Argenstein, Photos M. Seipelt.
Gisselberger Spannweite - Jüngste Entwicklung in der Umgebung des VSG
Der Abschnitt Ronhausen bis Steinmühle ("Gisselberger Spannweite") wurde durch umfängliche Entwicklungsmaßnahmen von ONB und UNB im Herbst 2019 mit Anlage von Inseln, Seitenarmen, Sandbänken und derzeit noch zu niedrigen Steilwänden erheblich aufgewertet (Bilder oben vom 07.09.2019 © M. Kraft, Bilder unten Beginn der Maßnahmen mit Rückschnitt am 01.02.2020 © J. Scheidemann). Hier konnten nunmehr durch MIO e. V. und M. Kraft im Frühsommer 2020 bereits 3 Brutpaare Flussregenpfeifer nachgewiesen werden.
Damit das Gebiet weiterhin für Limikolen geeignet bleibt, muß durch Beweidung mit z.B. Heckrindern, Wasserbüffeln, Koniks (eine anspruchsarme Ponyrasse, die wild leben kann) oder Przewalski-Pferden (vor 5000 Jahren verwilderte Botai-Pferde aus der Mongolei) im unmittelbaren Uferbereich die Vegetation kurz gehalten und das Erdreich aufgewühlt werden. Auch Bieber sind hierbei hilfreich. Vorbildlich bei quasi wild lebenden Heckrindern und Koniks ist das Naturentwicklungsgebiet Oostvaardersplassen auf der künstlichen Insel Flevoland. Es hat sich zum größten Tiefland-Riedmoorgebiet Mitteleuropas entwickelt und erlangte bereits 21 Jahre nach der Eindeichung RAMSAR-Status.
Alte Grube zwischen Niederweimar und Argenstein
Auwaldrest bei Sichertshausen
Dieser befindet sich im Bereich eines ehemaligen Flußmäanders westlich des Hauptstroms und innerhalb der Umdeichung. Wieder ein Beispiel, wo dringend die Umsetzung des EU-VSG in nationales Recht geboten wäre. Über das EU-VSG "Lahntal zwischen Marburg und Gießen" ist lediglich eine Landschaftsgebietsverordnung drübergelegt - der denkbar schwächste Schutzstatus. Lediglich der winzige Teilbereich "Lahntalarm bei Bellnhausen" ist als NSG ausgewiesen. Photos von Martin Kraft.
Am 17.03.2020 (Bilder links und oben) vor 15h08 waren anwesend:
2 Höckerschwäne, 16 Graugänse,
1 SCHWANENGANS, 18 Nilgänse,
10 (5,5) Krickenten, 2 (1,1) Pfeifenten,
4 (2,2) Knäkenten, 6 (2,4) SPIESSENTEN,
je 2 Grau- und Silberreiher, 3 Bekassinen,
1 rufender MITTELSPECHT, 3 s. Rotkehlchen,
2 s. Kleiber, 2 s. Zaunkönige
Das Marburger Lahntal und seine Vogelwelt im Wandel der Jahreszeiten
Januar
Februar
März
April
Mai
Der Mai ist der letzte Monat der Heimzugsaison. Es rasten eine Reihe später Heimzügler auf dem Weg in den arktischen Norden.
Juni
Juli

Stare sammeln sich in zunehmender Zahl gegen Abend über dem Schlafplatz an den Martinsweihern. Fotos vom 25.07.2020 von Martin Kraft

August
September
Oktober
November
Dezember
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