Monitoring Ruraue und Tagebaue

Monitoring im Bereich Ruraue zwischen Seelhausen und Kirchberg
Die Photos entstanden am 15.06.2020 auf einem Acker nördlich des Werkes Lorsbeck der Papierfabrik Gissler und Pass in Jülich Süd. Hier wurde dieses Jahr erstmalig eine Wildblumenmischung mit geschätzt 50% Gewöhnlichem Steinklee, 8 % Kornblumen, 8% Pastinak, 8% orangenen Astern, 8% Spitzwegerich und 18% Sonstigem, darunter Acker-Hundskamille, Klatschmohn, Wiesen-Kümmel ausgebracht. In der Tat werden verschiedene Kleearten als Wirtsblume auch seltener Hummeln und Wildbienen favorisiert. Somit besteht Hoffnung, neben den oben gezeigten Allerweltsarten auch solche vor die Linse zu bekommen. Ebenso drehte über dem Bereich am 12.06.2020 ein Rotmilan zwischen 12h und 16h ausgiebig seine Kreise, was um diese Zeit in den Vorjahren eher untypisch war.  Es war eindrucksvoll, welche Massen an Insekten sich hier tummeln und wie so ein kleines Fleckchen Natur eine sonst eher ausgeräumte, durch den Zuckerrübenanbau geprägte Feldflur beleben kann. Der Lößboden hier in der Jülich-Zülpicher Börde ist bekanntlich ausgesprochen fruchtbar, es werden an vielen Stellen die maximal möglichen 120 Bodenpunkte erreicht. Während sommers der Oberrheingraben im Bereich  Freiburg regelmäßig die Temperaturrekorde knackt, sind im Bereich Kölner Bucht - Niederrhein die mildesten Winter zu verzeichnen. Eine geschlossene Schneedecke ist eine Rarität.
Am 22.06.2020 jagte im Bereich der Fußgängerbrücke Selgersdorf-Schophoven ein Eisvogel über der Rur. Nach Auskunft eines anwesenden Fischers seien permanent 1-2 Eisvögel dort. Desweiteren sangen dort 2 Zilpzalpe, 2 Mönchsgrasmücken, 1 Gartengrasmücke, 1 Dorngrasmücke und hielten sich ferner 1 Kohlmeise und etliche Feldsperlinge u.a. mit 5 Jungen dort auf. Der Fischer bereichtete weiter, dass in den letzten Tagen wiederholt Rotmilane ein Krähennest in einer Pappel am Rurufer angriffen, was sich mit eigenen Beobachtungen wie o. g. und bereits Anfang Juni deckte. Damit liegt es nahe, dass im Jahr 2020 erstmals wieder ein Brutrevier im Gebiet besteht. In diesem Bereich der Rur herrscht zudem reger Graureiherverkehr, welche von der Kolonie im Inselsee der Sophienhöhe hierher zum Fischen fliegen. Das Gewässer ist sehr fischreich, der Fischer hatte allein heute 12 große (über 50 cm) Fische geangelt, mit bloßen Auge waren drei kleinere Fische zu erkennen. An zwei Hausfassaden am Kirchplatz in Selgersdorf sind 3 Mehlschwalbennester, die alle paar Minuten angeflogen werden. Es jagen permanent sehr viele Mehlschwalben über dem Dorf. Im Walnußbaum neben der Kirche ist ein Türkentauben-Nest.
Am 02.06.2020 waren im Bereich der Rur zwischen Selgersdorf und Seelhausen 1 Graugans, 5 Stockenten, 1 m. Reiherente, 1 Graureiher, 1 Mäusebussard, 3 Grünspechte, 4 Mönchs-, 2 Gartengras und 1 Dorngrasmücken, 2 Hausrotschwänze, 2 Zilpzalpe, 1 Zaunkönig und 3 Stieglitze.
Auch vermeintlich "verunkrautete" Hausgärten geben vielfach ein Paradies für Insekten ab, wie oben in der Ortslage Jülich-Selgersdorf am 27.06.2020 © A. Matusch. 
Monitoring Tagebaue Inden und Hambach
(Bericht von Andreas Matusch)
Die Tagebaue und –kraftwerke im rheinischen Braunkohlerevier erfuhren von Mitte 2018 bis Ende 2019 eine sehr breite Medienaufmerksamkeit. Warum also wird dieser Bereich Gegenstand des ornithologisch – ökologischen Monitorings von MIO e. V.? MIO e. V. hat sich den elementaren Grundsatz in den Naturwissenschaften zu Eigen gemacht, dass die Empirie, die genaue Beobachtung und Vermessung der Natur vor der Hypothesenbildung steht. An dem was wirklich ist und wirklich stattfindet, muss sich alle Interpretation messen. Zufällig wohne ich seit 2003 in 1 km vom Tagebau Inden und 8 km vom Tagebau Hambach entfernt. Auf Fahrradtouren und Ausflügen in die Umgebung war der Ablauf ersichtlich. Schaufelradbagger auf der Südseite des jeweiligen Lochs treiben die Abbaukante Jahr um Jahr voran. Tief untern liegt der schwarze Flöz offen. Ein Adersystem von Förderbändern schafft den Abraum zum Bandsammelpunkt an der Westseite und von dort auf die Nordseite. Ebenso riesenhafte Absetzer schütten den Sand und Kies dort auf. Auf diesen Ruderalflächen fasst die Natur nach und nach wieder Fuß. Die Abbaukante schwenkt im Uhrzeigersinn um den Bandsammelpunkt. Nun hatte ich Gelegenheit, sowohl von 2005 an von maßgeblichen Akteuren in die Tricks und Kniffe der Rekultivierung eingeführt zu werden, als auch seit 2015 Akteure aus den Bereichen des lokalen wie des angereisten Widerstandes und des Umweltrechts kennenzulernen.
In loser Folge werden nun einige Befunde und Ereignisse wiedergegeben, welche teils zumal für Leser, die niemals vor Ort waren neu sein dürften, teils zumindest nicht im Fokus der medialen Aufmerksamkeit standen.


Rekultivierung der Sophienhöhe
Nördlich der bis zu 299 m unter NN hinabreichenden Grube des Tagebau Hambach („Mordor“) wurde seit 1978 die Abraumhalde 302 m über NN aufgetürmt und Sophienhöhe getauft. Sie ist heute der Hausberg Jülichs und beliebtes Naherholungsgebiet. Im nördlichen und westlichen Teil des Hochplateaus ist der Wald schon ins früh-mittlere Alter von 30 - 40 Jahren erwachsen.
Erstaunlicherweise wird die Bodenschichtung nicht so wie vorgefunden wiederaufgebaut, sondern schlicht als erstes eine komplette Schaufelradhöhe –etwa 20 m – Erdreich abgebaggert. Der kostbare Lößboden wird so mit Kies aus tieferen Schichten vermengt und euphemistisch als „Forstkies“ bezeichnet. Dieser kam als oberste Schicht der Sophienhöhe zu Liegen. Es wurde befürchtet, dass feine Lössbestandteile in ggf. darunter angeschüttete Schichten aus gröberen Kies geschwemmt werden und sich im Zuge dieser inneren Erosion, auch Einlagerungsverdichtung genannt, durch Abscheidungs- und Fraktionierungsprozesse sehr feste und für Baumwurzeln undurchdringliche Schichten bilden. Andererseits sind zur Wasserrückhaltung auf festere Schichten erforderlich, aber erst jenseits der 3-4 m Tiefe. Solcherlei Hypothesen werden durch einige Probegrabungen zu bestätigen sein. Offenbar wurden Teile der Humusschicht aus dem Tagebauvorfeld gerettet und stellenweise aufgebracht. Um ein Netz sehr breiter Wirtschaftswege wurden zunächst Pionierarten Pappel und Roterle und Stickstofffixierer wie Lupinien und Klee gepflanzt bzw. gesät. Nach hinreichendem Heranwachsen wurden in deren Schutz Zielbaumarten Stiel- und Traubeneiche, Rotbuche, Hainbuche, Winterlinde, Flatterulme, Bergulme, Berg-, Feld- und Spitzahorn, Esche, Eberesche, Wildkirsche, Lärche, Douglasie, Fichte usw. gepflanzt.
Die Traufbereiche der Freizeit- und Wirtschaftswege wurden mit Hasel, Kornelkirsche, Holunder, Heckenkirsche, Walnuss, Esskastanie, Weißdorn, Elsbeere, Hainbuche, Alpenjohannisbeere und diversen Rosensträuchern wie Hagebutte aufgebaut.
In die Fläche wurden pro Jahr 10.000 Maiglöckchen umgesiedelt, dazu Hunderte Narzissen. In Lichtungsbereichen wurden Magerwiesen und Streuobstbereiche mit
u.a. Speierling angelegt bzw. u.a. Serradella und Winterrübchen als Nahrung für Wild gesät. Verstreut wurden Hasenglöckchen, Salomonssiegel und Immergrün ausgebracht.  
Etwa alle 200 m wurde das Gelände mit 5-10 m hohen und 80-200 cm dicken Eichen- oder Buchenstumpen möbliert, in welche Bruthöhlen geschnitten waren. In wenigen Teilbereichen, wo die Absetzer versehentlich nur nackten Sand angeschüttet hatten, wurden Kiefern angepflanzt. Eine Besonderheit ist ein Feld von Mammutbäumen und vereinzelte Hickories, welche auch im benachbarten Stetternicher Forst zu finden sind.
Offenbar war den Rekultivierern schon in den 80er Jahren klar, dass noch in Folge der letzten Eiszeit der mitteleuropäische Wald unter einer ausgesprochenen Armut an Baumarten leidet, welche seiner Überlebensfähigkeit abträglich sind. Dementsprechend fielen der Kombination aus sehr trockenen Sommern 2018 und 2019 sowie sträflich unterlassener Borkenkäferbekämpfung nahezu sämtliche Fichtenbestände (etwa 5% der Waldfläche) aber keine oder kaum Douglasien und Mammutbäume und schon gar nicht Roteichen zum Opfer. Bereits in den Jahren davor starben deutschlandweit durch den Pilz Ophiostoma ulmi bzw. novo-ulmi, welcher durch den Ulmensplintkäfer schnell verbreitet wird, nahezu sämtliche Bestände der Berg- und Feldulme, lediglich die Flatterulme widerstand. Gerade seit Frühjahr 2020 macht die Rußrindenkrankheit durch den Pilz Cryptomstoma corticale Spitz-, Feld-, Silber- und Bergahorn zu schaffen, mit den schlechtesten Aussichten für den Bergahorn. Unter der Rinde sammelt sich eine bis zu einem Zentimeter dicke Schicht schwarzer Sporen dieses Schwächeparasiten an, daher der Name.

Über das Gebiet wurde eine Serie von Teichen angelegt. Hier wurden – wieder zum Erhalt der lokalen genetischen Vielfalt – original die Wasserpflanzen und tonnenweise Schlamm inklusive europäischem Flusskrebs aus den Teichen im Tagebauvorfeld eingebracht. Ebenfalls aus dem Tagebauvorfeld umgesiedelt wurden Amphibien und Waldameisen. Zur Umsiedlung von Käfern wurde auch massenweise Totholz aus dem Tagebauvorfeld in die Rekultivierung verbracht. So finden sich jetzt dort etwa Lederlaufkäfer (Carabus coriaceus).
Zur Anreicherung der Humusschicht wurde weiterhin – lange bevor dies flächendeckend in Mode kam – Totholz konsequent liegen gelassen.

Eine Graureiherkolonie verlegte etwa 2014 ganz aus eigenen Stücken ihren Standort von hohen Eichen im Stetternicher Forst nördlich des Abzweigs der Rurtalbahn auf die Insel im Teich auf halber Höhe (Inselsee) an der Sophienhöhe. Zudem brüteten im Jahr 2020 gleich zwei Uhupärchen auf der Sophienhöhe. Turteltaube, Heidelerche, Schwarzkehlchen, Baumpieper brüten im Gebiet, ferner Haselmäuse aber z.B. noch keine Rotmilane.

Die Ansinnen zur Errichtung eines Wind- wie auch eines Freizeitparks auf der Sophienhöhe konnten erfolgreich abgewehrt werden, nicht zuletzt durch die Positionierung eines Regen- und Forschungs-radars (TERENO-Projekt) dort.
Leider muss konstatiert werden, dass in den letzten Jahren zunehmend weniger Aufwand in die Rekultivierung gesteckt wird. Neu angeschüttete Bereiche werden nicht mehr begradigt und eingesät oder bepflanzt. Im Bereich der Innenkippe findet der interessierte Naturkundler wirklich ätzend zu durchwandernde Furchenlandschaft vor, wo außer Distel und Birke jedes Pflänzchen der Erosion und Austrocknung anheimfällt. Dies kommt unter dem Euphemismus „Goldene Aue“ daher, begrifflich für ein Hochplateau ohnehin unzutreffend. Der Satz des Projektierers „Diese soll als Offenlandbereich mit extensiver Beweidung und feuchten Senken gestaltet werden und einen Hot Spot der Biodiversität bilden.“ darf hier einmal übersetzt werden mit „Man möchte sich nicht mehr darum kümmern“. Da RWE ohnehin aus der Grube einen Strom von Sümpfungswasser in der Größenordnung der Erft abpumpt, ist nicht einzusehen, warum – gerade in trockenen Sommern wie 2018 und 2019 – nicht mit einem Teil auch die Sophienhöhe bewässert werden kann.
Rekultivierung am Tagebau Inden
In der Rekultivierung des Tagebaus Inden dagegen wiegt die Wiederschaffung von Ackerbauflächen vor, welche zudem reichlich mit Windrädern bespargelt wurden, die letzten entstanden 2017, für weitere wurde eine Vorrangfläche entsprechend überplant. In einem kleineren Areal kann sich „Wildnis“ entwickeln. Dieses ist geprägt durch den seit 2005 künstlich auf 12 km Länge an die West- und Nordflanke des Tagebaus verlegten Lauf der Inde. Leider hat sich hier derzeit Großer Bärenklau breitgemacht, neben Goldrute und asiatischem Schlangenknöterich ein ausgesprochen expansiv um sich greifender Neophyt. Auf weiteren Flächen werden Blühstreifen und Feldraine angelegt. Aber auch schlichter Randbereiche bemächtigt sich schnell wieder die Natur:
-    Im Bereich des Aussichtspunktes südwestlich Schophoven auf dem Außenwall des Tagebau Inden blühten am 12.06.2020 u.a: Moschusmalve, Taubenkropf-Leinkraut, Saatluzerne, Tüpfeljohannis-kraut, Wald-Labkraut, Schwarze Flockenblume, Wiesen-Flockenblume, Färber-Hundkamille, Schafgarbe, geruchslose Kamille, Kriechendes Fingerkraut, gewöhnlicher Hornklee, Klatschmohn, Schmalblättriges Greiskraut, Kleiner Wiesenknopf(=Pimpernelle).
-    Am südlichen Ortsrand von Kirchberg wurden 03-06.2019 Mäusebussard, Sperber, Kormoran und die Brut eines Pirols nachgewiesen (Fehr, Stolberg 28.08.2019).
Ausgleichsmaßnahmen außerhalb des Abbaugebietes
Jenseits der Abbaugrenzen werden vor allem im Südosten bis an die Ränder von Kerpen und Nörvenich und im Nordwesten bis an die Rur und Jülich-Süd eine Reihe von Entwicklungsmaßnahmen durchgeführt, die schon jetzt weit fortgeschritten sind. Es werden Baumreihen, lockere Streuobst-wiesen und Wiesen mit lockerem Laubbaumbestand entwickelt (97 ha) mit reichlich Ansitzen für Greife. Dies ist begrüßenswert, nur wurden gerade zuvor frisch gepflanzte Bäume in den trockenen Sommern 2018 und 2019 nicht bewässert und so gingen Hunderte wieder ein. Die weite fingerartige Ausdehnung der Maßnahmen nach Südosten erklärt sich, weil hier über die Grünbrücke über die A4 die Steinheide mit den beiden weiteren Teilgebieten Dickbusch und Loersfelder Busch des gemeinsamen FFH Gebietes und des Weiteren mit dem FFH-Gebiet Nörvenicher Wald vernetzt werden soll. Im Nordwesten werden Ruraue, Stetternicher Forst, FFH-Gebiet Lindenberger Wald und Sophienhöhe zu einem Komplex mit durchgehend flächig mindestens lockerem bis dichten Baumbestand verbunden. In diesen Bereichen werden auch 579 ha Ackerland aus der intensiven Nutzung genommen und teils in Blühwiesen umgewandelt. Des Weiteren sollen bestehende Altwaldbereiche durch waldbauliche Maßnahmen gefördert werden, auf insgesamt 785 ha. Die große Chance für solche Maßnahmen wäre Bewässerung in den trockenen Sommer 2018/2019 gewesen, nun ist leider ein erheblicher Teil der alten Buchen im Stetternicher Forst und im Altwald vertrocknet.

Obige Bilder entstanden am 04.12.2016 - passend am Tag der heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Bergleute - während der bislang letzten Rodungssaison. Zu sehen ist die nordwestliche Ecke des 2,3 km² Reststücks nordöstlich Morschenich des vormals über 40 km² großen Bürgewalds. © A. Matusch
Flächenbilanz und Altwald
Dort wo heute Tagebau Hambach und Sophienhöhe sind, erstreckte sich vor 1978 ein riesiges Waldgebiet von insgesamt etwa 54 km², auch Bürgewald genannt, vom Typus Maiglöckchen-Sternmieren-Stieleichen-Hainbuchenwald mit eingestreuten Winterlinden. Davon wurden bereits 42 km² weggebaggert, 9,7 km² Altwald je an der westlichen (mit FFH-Gebiet Lindenberger Wald), südlichen (Merzenicher Erbwald) und östlichen (FFH-Gebiet Steinheide) Ecke sollen unstrittig stehenbleiben und 2,3 km² waren bis Anfang 2019 strittig. Gut 13 km² wurden im Rahmen der Rekultivierung wieder aufgeforstet (Sämtlich eigene Flächenmessungen in Karten und Luftbildern).
Beim Altwald insgesamt und bei den strittigen 2,3 km² insbesondere handelt es sich um dramatisch schönen Auwald mit hunderten sehr alten Stieleichen mit über 1,5 m Stammdurchmesser. Dies erklärt sich dadurch, dass hier in den letzten Jahrzehnten fast niemals Holz eingeschlagen wurde und nahezu keine forstwirtschaftliche Nutzung stattfand. Dazwischen gibt es Bereiche mit ebenso großen alten Rotbuchen. Im Frühjahr ist der Boden von einem kontinuierlichen Teppich aus Maiglöckchen übersät. Große Flächen zu Füßen der alten Eichen sind dann zudem versumpft, etwa im südlichen Abschnitt westlich der alten L276. Fichtenbestand nimmt nur kleinere Anteile ein. Etwa 1/7 der Fläche sind von riesigen Feldern von Adlerfarn bedeckt, auch große Lichtungen. Mangels Forstbetrieb ist auch erfreulicherweise nicht der ganze Waldboden mit Astschnitt zugemüllt, sondern es gibt Bereiche, in denen man wie in einer großen Kathedrale wandeln kann. Nur der eine oder andere aufgrund von Altersschwäche umgestürzte Baumriese liegt quer. Ist man sonst den Wirtschaftswald der Mittelgebirge gewohnt, so vermittelt dieser Alt-Auwald besonders Anmut und tiefsten Frieden.
Umzug von organisch gewachsenen Dörfern in Gärten des Grauens
Zuvor war es schmerzlich zu erleben, wie nacheinander die Dörfer Inden, Altdorf und zuletzt Pier gänzlich und unwiederbringlich den Baggern weichen mussten. Stets dasselbe Bild: Zuerst wurden die Schönheitsreparaturen an den Häusern unterlassen, dann kümmerte man sich nicht mehr um die Gärten, irgendwann fegte man nicht mehr die Straße, dann kamen Umzugswagen, Schuttcontainer, Vernagelung der Fenster und Türen zuletzt der Abrissbagger, schließlich mussten sogar Gotteshäuser und Friedhöfe weichen. In den jeweiligen Umsiedlungen entstanden sterile Klinkerhäuschen, stets nach der neusten Mode – man sagt mit vergoldeten Wasserhähnen - und Gärten des Grauens. Dort dürfte die Artenvielfalt von Stein und Beton diejenige des Lebens überwiegen.


Obwohl unmittelbar an den Förderbändern als auch am Grenzwall Sprühanlagen betrieben werden, dürfen dennoch sämtliche Anwohner innerhalb der 3 km Leeseite allwöchentlich je Raum und Fensterscheibe einen großen Lappen tiefschwarzen Kohlestaubs aufwischen.

Verfügbare Daten zum Artenschutz und zur Avifauna
In Tabelle 1 (oben), ist zunächst das Arteninventar je Messtischblatt (TK) aus ADEBAR (Atlas der Brutvogelarten Deutschlands, Gedeon et al. 2014, Kartierung 2005-2009) sowie je Messtischblattviertel (TKV) aus der Datenbank des LANUV (gesammelt seit 2000) gegeben.
Es schließen sich die Artenlisten der benachbarten NSG und FFH Gebiete aus den Gebietssteckbriefen an. Leider sind nur ausgesprochen wenige maßgebliche Arten als Erhaltungsziel definiert, Wespenbussard, Mittelspecht und Gelbbauchunke im FFH Steinheide, der leider seit Jahren nicht mehr dort brütende Rotmilan und Mittelspecht im FFH Lindenberger Wald, im FFH Ruraue von Obermaubach bis Linnich Gänsesäger, Flussregenpfeifer und Eisvogel, Bieber, Groppe und Bachneunauge.
Überfliegt man kursorisch, was weiter zur Faunistik und Floristik des Gebietes (netz-)öffentlich verfügbar ist, so fällt im Bereich der Rekultivierung eine Bestandsaufnahme durch die RWE-Forschungsstelle Rekultivierung aus 2016 auf, wobei Vögel nur vom 04.04. bis 09.07. erfasst wurden. Des Weiteren gibt es dort einige Arbeiten zu Bodenkunde, Rekultivierung, Teichen, Schmetterlingen, Insekt und Pflanzen. Im Bereich der Abbauplanung für das 2,3 km² Stück Altwald („Hambi“ im engeren Sinne) finden sich nur schlaglichtartige punktuelle Erhebungen zu Wespenbussard, Mittelspecht und Bechsteinfledermaus durch die Projektierer, welche auch in der medialen Darstellung immer wieder genannt wurden. Das Gutachten des Kieler Instituts für Landschaftsökologie vom 13.02.2018 nennt dort zwei Wochenstuben der Bechsteinfledermaus, sowie Einzelindividuen des Großen Mausohrs und des Schmetterlings Spanische Flagge und des Springfroschs. 
Schenkt man einem journalistischen Artikel Glauben, fand ein vom BUND beauftragter Gutachter im 2,3 km² („Hambi“-) Restwald bei 8 Begehungen im Frühjahr 2018 gerade einmal 35 Brutvogelarten und 6 weitere Arten als Nahrungsgäste oder Rastvögel. Sofern es sich nicht um Understatement handelt, wurde hier sicherlich nur über einen kleinen Ausschnitt der Kartierungen berichtet. Ein derartiger Wald mit seinen Rändern enthält nämlich nach diesseitiger Erfahrung
regelmäßig 80 Vogelarten und mehr. Dies legen auch bereits die landesweiten Kartierungen nahe. Zudem sei kein Mäusebussard, kein Habicht und keine Eule beobachtet worden, jedoch immerhin Waldschnepfen. In einem unterbreiteten Standarderhebungsbogen für ein neues 9,9 km² FFH-Gebiet, welches Merzenicher Erbwald und 2,3 km² „Hambi“ umfassen soll, gibt der BUND dort minimal 2 Individuen Waldkäuze und 9 Individuen Mittelspechte an, nebst (adulte Weibchen) 500 Haselmäusen, 84 Bechsteinfledermäusen, 31 Großen Mausohren, 35 Braunen Langohren, 5 Fransenfledermäusen, 345 Großen Bartfledermäusen, 75 Kleinen Abendseglern.
Selbst RWE nennt in Wald, Feldflur und Kiesgruben zusammen 125 Vogelarten. 2009 gab es eine faunistische Kartierung des Gesamtgebietes des 3. Rahmenbetriebsplans durch die Büros KBFF (Kölner Büro für Faunistik) und IVÖR (Institut für Vegetationskunde, Ökologie und Raumplanung Düsseldorf), die leider nur in der Zusammenfassung für das Teilgebiet Steinheide vorlag. Der 3. Rahmenbetriebsplan aus dem Jahr 2012 umfasst von den Waldgebieten nur die strittigen 2,3 km² Hambacher Restwald und den Westrand der Steinheide. Die maßgeblichen Art Wespenbussard sei mit 1 Revier, der Mittelspecht mit 20 Revieren vertreten, dazu Kleinspecht, Waldlaubsänger, Kleiber, Trauerschnäpper, Kernbeißer, Bechsteinfledermaus Großes Mausohr und Großer Abendsegler. Der unstrittig verbleibende Altwald scheint dagegen noch wenig erkundet. Zu allen Habitaten scheinen  längerfristige Beobachtungen der Zug- und Rastvogelvorkommen zu fehlen. Bereits 2005 hatte die EU-Kommission unter Zwangsgeldandrohung ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik geführt, weil sie zu wenig FFH-Gebiete für Lebensraumtypus 9160 Stieleichen Hainbuchenwald, für die Bechsteinfledermaus und für das Große Mausohr gemeldet hatte. Statt des Hambacher Waldes wurde 2006 nur der Nörvenicher Wald gemeldet, wo nur 8 statt im Hambacher Forst 84 adulte Weibchen bekannt waren. Dies ist die Hauptargumentationslinie bei der anhängigen Klage des BUND gegen den 3. Rahmenbetriebsplan vorm OVG Münster.
Kiesgrubengelände und Baggerteiche ornithologisch hochinteressant
Gänzlich blinder Fleck zumindest der öffentlichen Wahrnehmung, wie auch weitgehend des fachlichen Interesses  - scheinen die 1,5 km² Kiesgrubengelände westlich Manheim zu sein, welche ebenfalls dem Braunkohletagebau zum Opfer fallen sollen. Insbesondere beinhalten sie westlich Manheim 11 ha Wasserfläche von Bagger- und Absetzteichen. Nur Teile der 0,3 km² östlich Manheim sind als NSG „Kiesgrube Steinheide“ ausgewiesen. Sämtlich sollten sie lt. 3. Rahmenbetriebsplan bereits vor 2030 weggebaggert werden. Diese Auskiesungsbereiche sind aber ornithologisch hochinteressant. Hier rasten Gänse, Enten, Reiher, Limikolen und Möwen, ein bedeutender Teil brütet auch hier. Des Nachts rasen hier ganze Wildschweinrotten laut platschend zum Baden ins Wasser. Durch Freischneiden betroffener Uferbereiche von Brombeergestrüpp ließen sich noch einmal enorme Entwicklungspotentiale heben. Auch gibt es einige sandige Steilhänge an den Ufern, die für Bienenfresser und Uferschwalben geeignet sind.
Immerhin gab es im Zuge einer kleinen Erweiterung der Kiesgrube um einen Acker nach Südosten eine Artenschutzprüfung durch R. Krechel und A. Greins vom Büro IVÖR, wobei 80 Vogelarten im Bereich der Umgebung mit Absetzteichen festgestellt wurden, allerdings nur im Zeitraum 19.03.-05.06.2019 (Seiten 112-119 von 188 der UVP). An Wasservögeln und Wasserrandbewohnern wurden nur erfasst: Höckerschwan, Kanada-, Grau- Nil- und Rostgans, Stock- und Knäkente, Zwergtaucher, Kormoran, Silber- und Graureiher, Teich- und Blässhuhn, Kiebitz, Flussregenpfeifer, sowie Sumpf- und Teichrohrsänger ohne Kuckuck.
Des Weiteren scheint der Fokus bisheriger Erhebungen ausschließlich auf Brutvögeln (Brut im Untersuchungsgebiet oder Nahrungsgast) zu liegen. Rastvögel wurden sträflich vernachlässigt und damit besonders Gänse, Enten und Laro-Limikolen. Bereits um das Potential an Rastvögeln abzuschätzen, darf auch die Erfassung lediglich überfliegender Zugvögel nicht vernachlässigt werden und sind insbesondere ganzjährige Erfassungen über mehrere Jahre erforderlich.      

Offenbar gibt es Bestrebungen, die Kiesgruben westlich Manheim nach Süden auf knapp 3 km Breite bis an die gemeinsame Trasse von Bahn und A4 heran auszuweiten und dabei auch die 9 ha Waldinsel „Vogelsang“ zu zerstören.
Die Bewertung solcher Ansinnen wird damit steigen und fallen, wie in den bereits ausgekiesten Bereichen ökologisch und avifaunistisch wirklich hochwertige Feuchtgebiete mit Inseln, Flachwasser- und Schlickzonen geschaffen und insbesondere auch unterhalten werden. Diese könnten dann bedeutsame Populationen rastender Wat- und Wasservögel aufnehmen

Am 28.06.2020 waren an den Baggerteichen südlich des 2,3 haHambacher Restforstes u.a. 22 Nil-, 8 Grau-, 5 Kanadagänse, 6 Stockenten, 5 Graureiher, 3 Mäusebussarde (einer mit vehementem Reviergeschrei), 1 Mauersegler, ca. 10 Schwalben und 7 Bachstelzen neben diversen häufigen Singvögeln.  
 
Auch unmittelbar nördlich des Tagebaugebietes südlich Oberempt ist eine Kiesgrube geplant. Der Bereich befindet sich unmittelbar im östlichen Anschluss an einen Windpark mit 8 WEA. Da Kiesgruben sehr zahlreich angeflogen werden und in weitem Umkreis einen Anlockeffekt par Excellence ausüben, würde hier eine regelrechte Todesfalle geschaffen. Die Einrichtung einer Kiesgrube wäre hier aus ornithologischer Sicht erst nach Aufgabe der Windkraftnutzung und wie immer mit langfristig gesicherten Entwicklungsmaßnahmen für Feuchtgebiete diskutabel. Eine kleinere Kiesabgrabung befindet sich bereits weiter nordwestlich.
Bei Berrendorf am Ostrand des Tagebaus Hambach indes wurde offenbar 2015 eine Ackerfläche geflutet, um ein Feuchtgebiet zu schaffen.
NOx-Emmissionen
In seinem „Sondergutachten Stickstoff 2015“ geht der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) auf den Stickoxid (NOx)-Ausstoß der Kohlekraftwerke ein. Auf Seite 217 Nummer 268 steht dort „Beispielsweise können alle bestehenden Braunkohleanlagen die für sie geltenden Grenzwerte für Stickstoffoxidemmissionen auch ohne Abgasreinigung einhalten (Schönberger et. al., 2012)“ und „Insbesondere mit der Abgasreinigung durch selektive katalytische Reduktion (SNCR) können relativ anspruchsvolle Grenzwerte eingehalten werden.“ Weiterhin zeigt dort Abb. 4-16 NOx-Emmissionen im Jahre 2012 aus Kohlekraftwerken in Deutschland von 190.000 t, Kraftwerke insgesamt 330.000 t, demgegenüber blies der Verkehr 540.000 t in die Luft und Industrie und Landwirtschaft noch einmal 130.000 t. Interessanterweise sind die Zahlen des Umweltbundesamtes deutlich niedriger, Kraftwerke gesamt 205.000 t in 2012 und 188.000 t in 2015. Anderswo ist die Reduzierung des NOx im Gange. Die Nachrüstung von katalytischen Abgasreinigern bei Braunkohlekraftwerken, welche technisch die NOx-Emmissionen auf ein Drittel also auf unter 36.000 t reduzieren können, unterbleibt aber. Als Argument wird angeführt, man steige ja ohnehin aus der Braunkohle aus. Die Kosten für die Nachrüstung betragen gerade einmal 80 Mio € je 600 MW-Block. Deutschland hatte in der EU gegen die Verschärfung der NOx-Grenzwerte für Kraftwerke gestimmt, wurde aber überstimmt, sie wird 2021 kommen.
Sonstige Befunde und Kuriosa
-    Auf dem Gelände Weisweiler betreibt RWE eine gesonderte Müllverbrennungsanlage, die aber Wasserdampf in den Turbinenstrang des Braunkohlekraftwerks einspeisen kann. Zudem besteht im Braunkohlekraftwerk die Genehmigung, Müllpellets mit zu verbrennen. Die mitunter der Kohle angelasteten Anteile an Quecksilber, Arsen und anderer Schadstoffe in den Abgasen dürften teils auf das Konto des Mülls gehen. Andererseits können in Beimischung zur Kohle viel höhere Verbrennungstemperaturen erreicht werden, als in herkömmlichen Müllverbrennungsanlagen. Entsprechend steigt der Wirkungsgrad und gehen weniger unvollständig verbrannte organische Moleküle ins Abgas.
-    Ebenso Weisweiler soll in einen Standort für einen riesigen unterirdischen Heißwasserspeicher als Energiespeicher umfunktioniert werden. So können Netzanbindung und Dampfturbinen weiter genutzt werden. Das Prinzip geht auf die TU Cottbus zurück und soll in Jänschwalde ebenso zum Einsatz kommen.   
-    Der Flöz im Tagebau Hambach ist 60 – 70 m mächtig in 300 – 400 m unter Gelände (80 m ü NN), von bester Qualität. Die Kohle aus Garzweiler hat dagegen mindere Qualität und wird mit Hambacher Kohle „aufgefettet“.
-    Bei den riesigen „Schlachten“ im Gelände September/Oktober 2018 mit bis zu 2000 Polizisten und 10.000 Demonstranten, war zumal für den Ornithologen erstaunlich, dass keiner ein Fernglas dabei hatte und auch die Handvoll vorhandener Hochsitze nicht zur Fernerkundung genutzt wurden. Entsprechende „kleine Amtshilfe“ wurde keiner Seite verwehrt. Als kleiner Schmunzler am Rande wurden vom Standort Sophienhöhe in 7 km Entfernung und mehr bei fortgeschrittener Dämmerung und bei Dunkelheit durchs Spektiv beobachtete Truppenbewegungen direkt in den Nachrichten-ticker der Widerständler gegeben, woraufhin die Polizisten den Himmel mit Suchscheinwerfern nach einer Drohne absuchten.
-    Waldschützer aus Marburg hatten einen Akkuschrauber in einen Kuchen eingebacken und so durch den Belagerungsring geschmuggelt.
-    Am 27.10.2018 hatte klar die Polizei zuerst den Abschnitt der A4 zwischen Nörvenich und Merzenich gesperrt und erst dann waren Demonstranten darüber marschiert. Dies habe ich mit eigenen Augen gesehen. Zudem war die Behauptung, Demonstranten seien zuerst über die Autobahn gelaufen beim damaligen dortigen Verkehrsaufkommen – dreispurig Auto an Auto, 120 km und mehr – schlicht unglaubwürdig. Zu allem Überfluss wurde durch die Polizei auch noch der Anwohnerverkehr auf der Strecke Merzenich – Jülich blockiert.
-    Einige Großstadtpolizisten waren offensichtlich noch nie in ihrem Leben nachts im Wald gewesen und hatten sichtlich Angst obwohl ihr Abschnitt klar frei von Widerständlern war. Auf beiden Seiten war sehr großes Unvermögen festzustellen, sich bei Dunkelheit im Wald zu bewegen – es wurde kräftig mit Taschenlampen „gefunzelt“.
-    Der Belagerungsring der Polizei um den Wald hatte immer eine gähnende Lücke im Osten. Wer wollte, konnte unbehelligt ein- und ausgehen.
-    Im August 2016 standen eine Vielzahl Baumhäuser gänzlich leer, es hielten sich allenfalls 20-30 Besetzer im Wald auf. Hier lag die Chance für RWE, mit minimalem Aufwand zu räumen. Sie wurde nicht genutzt. Bei einem meiner Waldspaziergänge war einmal wieder routinemäßig eine Hundertschaft Polizei zur Kontrolle im Wald. Ich hatte einige herrenlos im Wald herumliegende und offensichtlich von der Besetzerszene eingebrachte Gegenstände, darunter einen Bolzenschneider, eine Säge und einen Pfefferspray konfisziert. Die Polizei verweigerte die Annahme mit den Worten „Wir sind nicht das Fundbüro“.      

Brut- und Rastbestand sowie Nahrungsgäste im Humanbereich – Soziologischer Exkurs
Lange fragte ich mich, wer die Baumhausbesetzer im Hambacher Forst bezahlt, ob da die Konkurrenz wie BHP Billiton, Freeport McMoran oder Exxon die Finger im Spiel haben? Zum einen konnte ich feststellen, dass über 90% dem Spektrum Pfadfinder, Robin-Wood und Ökolandbau-Szene nebst Zimmerleuten auf der Walz zuzuordnen waren, die hier ein Experimentierfeld für alternative Lebensformen vorfanden, die sie in ausgesprochener Sparsamkeit, Achtsamkeit und Friedfertigkeit entwickelten und die auf sehr breit gestreute Unterstützung (Crowd-Funding) zurückgreifen konnten.
Die Leute leisteten auch beachtliche Sozialarbeit, indem sie hier gestrandeten Jugendlichen und jungen Erwachsenen in schwierigen Lebensphasen Zuflucht, Heim und Stütze gewährten. Traurig war es, wenn trotz dieses aufbauenden und wertschätzenden Umfeldes in Einzelfällen Leute ihre Alkoholsucht hier auslebten. Notwendige Bedingung und Fundament des Widerstandes waren ferner einige Bürger aus dem 2 km südlich gelegenen Buir, welche sich ursprünglich gegen die Parallelverschiebung der A4 nach Süden direkt an ihren Ortsrand gewendet hatten. Darunter war ein Grundstückseigentümer, der sogar aktiv Nutzer seiner Wiese am Waldrand rekrutierte, welche sich seit dem 17.11.2012 mit Wagen und Hütten dort ansiedelten. Ein bis zweimal im Jahr kam es zudem zu kleineren Invasionen aus dem Bereich des Krawalltourismus der Antifa. Das sympatische an diesen Leuten war ihre Zielstrebigkeit, jenseits verträumter Selbstfindungsphasen. Interessenlage und Finanzierung aus den allgemeinen Töpfen waren wie üblich, ohne ersichtliche Spezifität. Aus dem Spektrum Waldschützer bis Antifa heraus kam es immer wieder auch zu Störungen des Tagebau- bzw. Kraftwerksbetriebs, wobei meist versucht wurde, sich unter der Schwelle der Sachbeschädigung zu bewegen, jedoch niemals Gewalt gegen Personen ausgeübt wurde. Schließlich waren immer wieder Ereignisse zu verzeichnen, die stutzig machten. Es handelte sich um Akte der Gewalt gegen Personen, die nach jedem möglichen Denkansatz dem Widerstand nur schaden konnten und von professioneller Orchestrierung zeugten, allen voran die Gefangenenbefreiung aus einem Polizeiauto oder Hinterhalte gegen den Werksschutz mit Feuern und Steinwürfen auf der Werksstraße oder Ziegelsteine, welche genau in Höhe der Fenster der Lokomotiven der Werksbahn von den Brücken herab gehängt wurden. Es munkelte schon, die Koordinierung von Provokateuren sei zeitweise vom Strabag-Container aus gelaufen, auf dem Stützpunkt des Werksschutzes.
Zwischenfazit
War die Finanzlage von RWE schon seit Jahren schwierig, so zeichnet sich spätestens angesichts des dramatischen Verfalls der Energiepreise im Frühjahr 2020 die Rentabilitätsgrenze des  Braunkohletagebaus ab. Was konnte RWE da Besseres passieren, als dass es sich nach dem Atomausstieg nun auch für den Braunkohleausstieg - also für „qualifiziertes“ Nichtstun – mit Abermilliarden von Steuergeldern bezahlen lässt? Bei der Besetzung des Hambacher Forstes und ihrer Räumung ging es offensichtlich keiner Seite, nicht Landesregierung und Polizei, nicht Besetzern und nicht RWE darum, möglichst effektiv die jeweils vorgeblichen Ziele zu erreichen. Es ging um maximales Theater und möglichst großes Kino. Was für eine sinnlose Materialschlacht auf Kosten der Steuerzahler! Vollends Mummenschanz waren die uniformierten Aufmärsche von Ende Gelände. Dieses Tohuwabohu und die Verengung des Debattenkanals lediglich auf die Themen Dekarbonisierung und CO2-Einsparung war in bester Nebelwerfer- und Tintenfischmanier geeignet, um davon abzulenken, dass RWE in den Bereichen Rekultivierung und Ausgleichsmaßnahmen seine Hausaufgaben nicht macht und bei mangelnder Abgaswäsche (Reduzierung von Stickoxiden) und im Bereich Artenschutz im Tagebauvorfeld absehbar schlicht gegen EU-Recht verstößt. Interne Bedenken gegen Misswirtschaft konnten vor diesem Hintergrund abgewiegelt werden. Im Vorfeld der Verbrennung von Müll u.a. aus Neapel u.a. in Kraftwerk und MVA Weißweiler, wie nachgelagert bei den Aktionären wird man bei der Suche nach Schmutz auch nicht leer ausgehen. Etwa 25% der Anteile sind bei westdeutschen Kommunen, u.a. Dortmund 4,8%, Essen 3,1%. In diversen Kommunen haben eigens konstruierte Beteiligungsgesellschaften die einzig ersichtliche Aufgabe, einmal jährlich Dividende von RWE zu kassieren. Jeweils gibt es dafür aber einen selbstverständlich vergüteten Vorstand. Eine willkommene Gelegenheit, abgehalfterte Politkader mit Pöstchen und Gefälligkeiten zu versorgen.
Waren all die Bemühungen um die Rettung der 2,3 km² strittigen Waldes nun müßig? Hätte man den Dingen schlicht seinen Lauf gelassen, wäre wohl das gesamte Tagebauvorfeld Jahrzehnte im Voraus geräumt worden. Trotz Einstellung oder Reduktion des Betriebes irgendwo zwischendrin, hätte man den Wald wohl längst plattgemacht. Bereits 2017 sollten ursprünglich von Norden her weitere 200 m gerodet werden. So wird der Wald vorerst nicht gerodet, aber dringend gebotene Erhaltungsmaßnahmen - wie der Aufbau eines Traufbereichs an der freigestellten Rodungskante und an neu verbreiterten Wegeschneisen - unterlassen und die Zerstörung der Dörfer forciert. Zwar bereits entweiht stehen die Kirchen von Manheim und Morschenich jedenfalls noch und Michael Schuhmachers Kartbahn kann nun definitiv bleiben. Naturschutz und Artenschutz jedenfalls lässt sich nicht in Modebegriffe und Schlagwörter pressen, sondern erfordert jahrzehntelange unermüdliche Kleinarbeit. Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen sind kein Posten der abgearbeitet und abgehakt wird, sondern erfordern jahrzehntelange Pflege, Entwicklung und Begleitung. Vor allem in den 90er und 00er-Jahren ist Herausragendes und Wegweisendes im Bereich der Rekultivierung geleistet worden. Diese Erfolge dürfen nicht leichtfertig vor dem Hintergrund von Einsparungen und einer "Torschluss"-Mentalität verspielt werden. Die Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich Rekultivierung und ökologischer Ausgleich bieten Chancen und Potentiale, sie international auch für Dritte anzubieten und eng mit der universitären Forschung und Lehre zusammenzuarbeiten.
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